
Tim Kurzbach verspricht ein Rathaus mit offenen Türen. Wie kann das funktionieren? Ein Gespräch über moderne Verwaltung, Mitarbeiter-Motivation, den Wunsch nach ehrlicher Bürgerbeteiligung und über den frischen Wind, den sich viele in Solingen am Rathausplatz 1 wünschen.
Herr Kurzbach, stellen wir vor die Theorie mal die schlichte Praxis: Wie sieht Ihr Rathaus aus?
Ich hab da ein klares Bild vor Augen. Da hängt ein großes Schild über dem Eingang: Wir für Sie! oder noch besser: Wir gemeinsam! Ich habe von Anfang an ein Rathaus mit offenen Türen versprochen, das die Bürgerinnen und Bürger zum Hereinkommen einlädt: Hier wird gemeinsam geplant und entschieden, und das Ergebnis wird sich sehen lassen können.
Warum ist das für die Bürgerinnen und Bürger denn so wichtig?
Weil es wichtig ist, dass Entscheidungen gemeinsam mit den Solingerinnen und Solingern getroffen werden. Einsame Entscheidungen im stillen Kämmerchen sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Diese Vorgehensweise führt zwangsweise zu Kritik und Protest: Man redet öffentlich übereinander und nicht miteinander. Mir haben die Konflikte zwischen der Rathausspitze und etlichen Initiativen in der Vergangenheit richtig wehgetan.
Warum richtig wehgetan?
Weil sich hier Engagement für Solingen sinnlos verbraucht hat. Auch wenn zum Beispiel eine Bürgerinitiative sehr kritisch gegenüber Planungen ist, bleibt doch am Ende der Einsatz für einen besseren Zustand, den sie sich für ihre Stadt wünscht. Das ist doch wichtiges Kapital für Solingen! Weil ich das künftig stärker nutzen will, setze ich mich für das Rathaus mit offenen Türen ein: Ich will die Menschen bei Planungen und wichtigen Entscheidungen frühzeitig informieren und zusammenbringen. Wir werden die großen Herausforderungen der Zukunft nur meistern, wenn wir miteinander im konstruktiven Gespräch bleiben. Meine Aufgabe als OB wird daher sein, alle Beteiligten in diesen Dialog einzubinden und das auch täglich vorzuleben. Übrigens: Die teilweise schlechte Stimmung gegenüber dem Rathaus haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter obendrein nicht verdient.
Inwiefern?
Weil die Solinger Verwaltung und unsere städtischen Betriebe hochqualifizierte Beschäftigte haben, die sich für ihre Stadt engagieren. Ich würde sie gerne mit einem entsprechenden Umfeld unterstützen: Führungskräfte, die Vertrauen in sie haben und ihnen auch den Rücken freihalten dazu die Chance, eigenverantwortlich zu handeln. Und nicht zuletzt auch die Anerkennung, die jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter zusteht.
Mitarbeiter-Motivation ist für Sie also ein zentrales Thema?
Unbedingt. Und da steht der Oberbürgermeister buchstäblich an oberster Stelle: Er gibt das Klima im Rathaus vor und ist beispielgebend für seine gesamten Führungskräfte. Ich will in unserer Verwaltung vor allem Wertschätzung und Vertrauen wieder fest verankern. Viele Beschäftigte warten geradezu darauf, dass ihre Erfahrung, ihr Können und ihre Einschätzung von Sachfragen besser gewürdigt werden.
Und wie soll das in der Praxis gehen?
Wir müssen bei wichtigen Projekten viel öfter auch die Basis einbeziehen, die direkt am Thema ist. Ein banales Beispiel: Wenn Sie rund um ein Bauprojekt Blumenbeete planen, werden Ihnen wahrscheinlich die der Technischen Betriebe schon auf dem Plan zeigen können, wo Ihnen die Leute durchs Beet laufen werden wenn Sie nicht entsprechend pragmatisch umplanen. Wir brauchen mehr Teamarbeit und die muss von der Spitze her glaubwürdig gelebt werden.
Im Grunde bedeutet das aber doch einen ordentlichen Perspektivwechsel. Könnte der nicht manchen überfordern?
Wieso Perspektivwechsel? Und wieso überfordern? Ich spüre bei meinen häufigen Besuchen in allen Ebenen des Rathauses sogar eine gewisse Hoffnung vieler Beschäftigter: Ihnen ist klar, dass die Verwaltung als Ermöglicher und Wegbereiter für gute Ideen und Planungen ein ganz anderes Ansehen in der Bürgerschaft haben wird. Ich will, dass die Arbeit in der Verwaltung breit anerkannt wird und dass Rathaus und Bürgerschaft wirklich gemeinsam an Solingens Zukunft arbeiten können. Übrigens wird das auch ganz neue Anstrengungen bei der Personalplanung erfordern: Wir brauchen im wachsenden Wettstreit um Fachkräfte eine klare Strategie für attraktive Arbeitsplätze in unserer Verwaltung mit allem, was engagierte Beschäftigte heute zu Recht erwarten. Dazu gehört es auch, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Auf den Rathaus-Fluren werden aber auch Sorgen vor einem großen Stühlerücken kolportiert
Na klar, vor einer OB-Wahl hat der Flurfunk Hochkonjunktur! Aber im Ernst: Ich lehne jede Gesinnungs-Auslese ab, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Ich brauche die richtige Frau oder den richtigen Mann am richtigen Platz! Und noch ein kleiner Hinweis: In unserer Verwaltung arbeiten so viele hochengagierte und -qualifizierte Beschäftigte, dass ich mir um einen vertrauenswürdigen, starken Stab an meiner Seite keinerlei Sorgen mache.
Sie fühlen sich also bereit für die Verantwortung auch wenn Sie nicht aus der Verwaltung kommen?
Auf jeden Fall. Denn ich bin gerade dadurch im Rathaus unabhängig im Denken und Handeln. Damit bin ich automatisch ein Verbündeter all derer, die in jeder Situation einen neuen, individuell passenden Denkansatz suchen. Ich spüre da bei vielen Beschäftigten sogar schon eine gewisse Hoffnung auf mir ruhen, wenn ich wie so oft in der Woche im Rathaus unterwegs bin. Solingen braucht einen Oberbürgermeister, der Motor und Motivator ist für die Zukunftsfragen unserer Stadt. Ich will gestalten, moderieren und die Kreativität im Rathaus nach Kräften fördern.