
Hier ist die Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzenden Iris Preuß-Buchholz:
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
am Ende dieses Tages und das meine ich erfreulich wörtlich werden wir für Solingen einen Haushalt beschließen, der uns 2017 dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts schon sehr nahe bringt. Auch wenn wir wissen, dass wir dafür im kommenden Jahr nochmals hart arbeiten müssen.
Ich möchte dennoch nicht nur das Sparen in den Mittelpunkt stellen. Viel bedeutsamer sind die wichtigen und richtigen Impulse für die Zukunft unserer Stadt: Der vorliegende Entwurf von Oberbürgermeister und Kämmerer ist der endgültige Startpunkt für einen in Jahrzehnten beispiellosen Investitionsschub. Solingen wächst! Und meine Fraktion nimmt mit Freude zur Kenntnis, dass eine breite Mehrheit im Rat diesen Kurs stützen will.
Der Haushalt 2017 umfasst Millionen-Investitionen. Und ist damit ein gewaltiges Programm zur Attraktivierung unserer Stadt.
Wir sanieren, modernisieren und erweitern unsere Schulen. Wir schaffen in neuen Kitas Hunderte von weiteren Betreuungsplätzen. Wir bauen ein neues Hallenbad, sanieren städtische Gebäude und kümmern uns um unser oft angeschlagenes Straßennetz. Und: Wir setzen auch gemeinsam mit Partnern wie die Stadt-Sparkasse kräftige Impulse für den Wohnungsbau. Und zwar bezahlbaren Wohnraum!
In diesem Haushalt wird das umgesetzt, was die SPD gemeinsam mit den Grünen und unserem Oberbürgermeister versprochen hat: Neben den klaren Sparwillen stellen wir vernünftige, strategisch genau gezielte Investitionen in unsere Stadt. Weil nur das in die Zukunft führt: Eine marode, kaputt gesparte Stadt wird am Ende niemals mehr die Kraft zum Aufbruch finden.
Unser gemeinsames Versprechen an die Solingerinnen und Solinger war sehr konkret. Und so konkret finden sich die Ergebnisse nun auch in diesem Haushaltsentwurf wieder:
Wir wollen eine Stadt, die für alle Menschen attraktiv ist. Wir wollen gute Bildungschancen für alle. Wir wollen wohnliche Quartiere, in denen man gerne lebt. Wir wollen spannende Kultur, ein breites Sportangebot, Freizeitmöglichkeiten und selbstverständlich sichere, attraktive Arbeitsplätze in modernen Unternehmen. Schließlich wollen wir, dass sich Solingen nachhaltig entwickelt und sich die Vorzüge einer Stadt in schöner Natur bewahrt.
Trotz des weiter konsequenten Sparkurses erfüllt dieser Haushaltsentwurf alle Anforderungen, die unser Anspruch stellt: Die Investitionen habe ich soeben genannt. Dazu kommt beispielsweise erstmals seit Jahren eine größere Sicherheit für wichtige kulturelle Einrichtungen unserer Stadt: Die Arbeit unserer Musikschule, die landesweit mit Preisen und Anerkennung gewürdigt wird, wollen wir endlich auch finanziell nachhaltig stützen. Und auch die Finanzierung unserer Bergischen Symphoniker wird auf neue, solide Füße gestellt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine SPD-Fraktion bei einem Haushalt, der so erkennbar die sozialdemokratische Handschrift trägt, nicht allzu viele Änderungswünsche haben wird. Das Was und Ob war in unseren Beratungen daher weniger das Thema. Bei uns stand bereits das Wie im Mittelpunkt der Beratungen: Wie sollen unsere Schulen ausgebaut werden? Wie können Straßen nachhaltig und trotzdem kostengünstig saniert werden?
So konnten wir etliche Vorhaben entscheidend konkretisieren. Zum Beispiel die Sanierung und den notwendigen Ausbau des Mildred-Scheel-Berufskollegs: Wir werden zahllose weitere Erzieherinnen und Erzieher für die vielen neuen Kitas brauchen und die müssen wir an einem leistungsstarken und modernen Berufskolleg selbst ausbilden! Wir wollen aber auch, dass möglichst viele Schulen sehr konkret vom millionenschweren Landesprogramm Gute Schule 2020 profitieren können. Und wir wollen hoffentlich mit Hilfe eines angekündigten Bundesprogramms unsere Schulen durchgreifend digitalisieren.
Das alles finden Sie in diesem Haushaltsentwurf abgebildet. Abgebildet finden Sie aber auch die immensen Sparanstrengungen in der Verwaltung trotz enormer Herausforderungen beispielsweise durch die Integration der vielen Flüchtlinge. An dieser Stelle möchte ich daher den Beschäftigten im Rathaus und bei allen städtischen Tochtergesellschaften für ihr großes Engagement danken: Zumal diese Sparanstrengungen neben einem sehr aufwändigen Umbauprozess zu einer offenen und bürgerorientierten Verwaltung stehen!
Meine Damen und Herren,
ich schlage an dieser Stelle aber nicht ohne Grund auch einen nachdenklichen Ton an. Wir reden inzwischen von einer postfaktischen Welt. Einer Welt, in der die gefühlte Wirklichkeit Einzelner offenbar über den objektiv belastbaren Fakten steht. In der schließlich Emotion und persönliche Betroffenheit immer häufiger den sachlichen Blick auf die Zusammenhänge verstellen. Das macht gerade eine bürgernahe Politik vor Ort nicht einfacher: Der einzelne Beschwerdeführer erhält heute manchmal mehr mediale Aufmerksamkeit als das eigentliche Vorhaben. So müssen sich dann im günstigsten Fall über Tage ganze Stäbe im Rathaus mit dem einzelnen Wunsch einer einzelnen Bürgerin nach einem Weihnachtsbaum beschäftigen. Und in einem weniger günstigen Fall starrt inzwischen die halbe Stadt verärgert auf ein paar Meter Wiese am Theater: Dorthin, wo jeder praktisch Denkende eine kurze Treppe zum Eingang erwarten würde.
Aber warum unternehme ich diesen Ausflug in die politisch-medialen Bedingungen dieser Tage?
Weil gerade dieser Haushalt sehr viele Planungsvorhaben enthält, die unsere Stadt insgesamt voranbringen werden die aber für Einzelne auch Belastungen bedeuten können. Für den einen vielleicht vorübergehende Änderungen von Gewohnheiten für andere aber auch dauerhafte.
Wir planen elf neue Kitas. Wir erweitern Schulen. Wir bauen zusätzlichen Wohnraum. Wir errichten ein neues Hallenbad. Und wir sanieren Straßen.
Das alles wird nicht ohne Erschwernisse für einzelne Betroffene gehen. Zum Glück steht gerade dieser Oberbürgermeister für die Philosophie, dass eine moderne Verwaltung frühzeitig mit allen Betroffenen spricht und sorgsam plant. Aber wir dürfen auch niemals das große Ganze aus dem Blick verlieren: das Vorankommen unserer Stadt. Mein Appell geht daher an uns alle, die wir in den kommenden Jahren von Neubauten, Umbauten oder Sanierungen in der Nachbarschaft betroffen sein werden: Lassen wir das Allgemeinwohl nicht in Vergessenheit geraten selbst wenn es für die Betroffenen zeitweise etwas unbequemer wird. Denn sonst können wir in unserer Stadt und für unsere Stadt in Zukunft nichts mehr bewegen. Ich denke, dass ich damit den Wunsch aller hier im Rat ausdrücke.
Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund, Sachlichkeit und Augenmaß gegen manche spontane Emotion zu verteidigen: Es gilt nämlich, Legendenbildungen vorzubeugen.
Niemand in diesem Rat hat sich für tiefe Einschnitte in unser hochwertiges Busnetz ausgesprochen! Niemand will, dass der Öffentliche Personennahverkehr an Attraktivität verliert! Das, was wir heute zu den Stadtwerken beschließen wollen, ist eine sehr vernünftige und maßvolle Reaktion auf die finanzielle Situation unserer Beteiligungsgesellschaft: Ein geringeres Defizit des Verkehrsbetriebs ist eine der wenigen Stellschrauben, um die Muttergesellschaft BSG vor der Insolvenz zu bewahren. Wir wollen daher alle organisatorischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kosten zu senken. Da scheint durchaus auch einiges zu gehen.
Aber ehrlicherweise müssen wir uns auch das ganz reale Nutzerverhalten im Busverkehr ansehen. Meiner Fraktion war es von Beginn an wichtig, dass die Attraktivität unserer Buslinien dabei nicht verliert. Doch zu bestimmten Tageszeiten in hoher Taktung fast leere Busse durch die Stadt fahren zu lassen, ist mit politischer Verantwortung in Zeiten der Überschuldung nicht zu vereinbaren.
Die ersten nun vorgeschlagenen behutsamen Änderungen haben die antragstellenden Fraktionen vom Fahrgastbeirat übernommen. Außerdem wollen wir für die Verluste im ÖPNV eine Obergrenze von neun Millionen Euro festsetzen. Das sehen Stadtwerke-Verantwortliche als realistisch und machbar an. Für die SPD-Fraktion gilt dabei die klare Priorität organisatorischer Maßnahmen vor Einsparungen im Liniennetz.
Wir sehen unsere politische Linie in diesem gemeinsamen Antrag zum ÖPNV verwirklicht. Nichts anderes war von Beginn an gewollt und geplant. Ich hoffe daher auch an diesem Punkt auf eine sachliche weitere Debatte: Die teilweise gezielte Angstmache in der Bürgerschaft vor einem Kahlschlag bei unseren Bussen hat eine angemessene Lösung in den vergangenen Wochen wahrlich nicht erleichtert.
Erfreut bin ich dagegen, dass wir ein weiteres Thema auf eine sehr sachliche Basis holen konnten. Und heute wohl in breitem Konsens auf den Weg bringen können: In ihrem eigenen Konzept zu Sicherheit und Ordnung hat die SPD-Fraktion von Beginn an großen Wert gelegt auf den parallelen Ausbau von Vorbeugung und Ordnungsdienst. Und darauf, dass wir das künftige Personal unter hohen Standards selbst ausbilden.
Hilfspolizisten aus rechten Bürgerwehr-Kreisen oder der Türsteher-Szene wird es mit uns nicht geben!
Für meine Fraktion zählen auch in diesem Punkt Vernunft und Augenmaß: Wir wollen eine Stadt, in der sich alle Menschen wohlfühlen können. Dass dazu auch das Gefühl der Sicherheit zählt, wird niemand leugnen können. Es geht daher darum, diesen Wunsch nach Sicherheit und den Weg dorthin präzise zu definieren. Doch wie will man ein Gefühl sachlich und fachlich fassen? Noch dazu, wenn die realen Zahlen für Solingen eher beruhigend ausfallen? Eine konzeptionslose personelle Aufrüstung des Ordnungsamts kann da jedenfalls keine angemessene politische Reaktion sein.
Wir finden, dass meine Fraktion für eine solch diffuse Situation eine vernünftige und maßvolle Lösung erreichen konnte: Wir stärken die Prävention als einzig wirklich erprobtes und anerkanntes Mittel gegen Kriminalität. Und wir bauen die Einsatztruppe des Ordnungsamts in aller Ruhe zu ihrer voraussichtlichen Sollstärke auf. So können wir jederzeit auf aktuelle Erkenntnisse und Erfahrungen angemessen reagieren, Entwicklungen nachsteuern und damit das Gesamtkonzept stärken.
Ich warne hier und heute allerdings ausdrücklich vor falschen Erwartungen an die städtischen Ordnungskräfte: Viele Solingerinnen und Solinger drücken ihre Sorgen und Ängste vor Überfällen, Einbrüchen oder Drogenkriminalität aus. Das aber ist nicht Aufgabe des Ordnungsamts! Das ist und bleibt alleinige Aufgabe der Polizei in unserer Stadt!
Meine Damen und Herren,
dieser Haushalt enthält viele Vorhaben, die Solingen enorm voranbringen werden. Er ist eine echte Chance. Aber niemand will dabei die Risiken verschweigen. Es gibt Abhängigkeiten, die wir uns nicht ausgesucht haben und auf die wir leider nach wie vor auch keinen Einfluss haben: Da wäre die Entwicklung der Wirtschaft und ihrer Märkte. Vor allem aber ist da die soziale Lage in unserem Land: Immer noch sind die Städte und Kommunen diejenigen, auf denen eine unverhältnismäßig hohe Last der Sozialausgaben liegt. Ein neues Bundesgesetz ohne ausreichende finanzielle Deckung und alle Sparbemühungen sind erneut verloren.
Wir bauen daher weiter auf die Solidarität des Landes, der wir die Chance zu einem ausgeglichenen Haushalt 2018 verdanken. Und damit zum endgültigen Weg aus der jahrzehntelangen Schuldenfalle. Ein Jahr vor dem magischen Datum scheint dieser Erfolg des Stärkungspakts Stadtfinanzen auch für Solingen mit den Fingern greifbar.
Aber wir hoffen auch, dass die Bemühungen der Kämmerer und Oberbürgermeister in Berlin endlich Früchte tragen und der Bund seine für die Städte verbindlichen Sozialgesetze künftig wesentlich ehrlicher ausfinanziert.
Meine Damen und Herren,
Solingen setzt auf ein gesundes und nachhaltig angelegtes Wachstum. Dieser Haushalt auch wenn es eigentlich ein weiterer Spar-Haushalt ist bedeutet auf diesem Weg einen weiteren großen Schritt. Die SPD-Fraktion stimmt daher heute dem Etatentwurf von Oberbürgermeister Tim Kurzbach und Kämmerer Ralf Weeke mit Überzeugung zu. Und wir freuen uns, dass fast alle anderen Fraktionen dies ebenfalls angekündigt haben. Die vertrauensvollen Verhandlungen und die gemeinsam erarbeiteten Kompromisse sind für unsere Stadt ein gutes Signal! Erst recht in Zeiten mancher politischer Ungewissheit auf der Welt."