Was uns heute selbstverständlich erscheint, wurde einst erkämpft. Hierfür mussten Widerstände überwunden und mehrere Anläufe unternommen werden. Und ohne Druck von der Straße ist es nicht gegangen.
So könnte ein Fazit des Vortrags über „Die Mütter des Grundgesetzes“ lauten, welches Stefanie Mergehenn gestern Abend auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) im Begegnungszentrum der Arbeiterwohlfahrt in Ohligs gehalten hat.
Der Termin des Vortragsabend fiel zusammen mit dem 75. Jahrestags des Beginns Arbeiten am Grundgesetzes, welches mit dem sogenannten „Herrenchiemseer Entwurf“ endete. „Unter den Mitgliedern dieses Konvents befand sich keine einzige Frau, obwohl Frauen im Nachkriegsdeutschland rund zweidrittel der Bevölkerung ausmachten.“, so Mergehenn.
Unter den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates befanden sich – immerhin, möchte man meinen, vier Frauen: Dr. Helene Weber (CDU), Helene Wessel (Zentrum – später SPD), sowie Friederike „Frida“ Nadig und Dr. Elisabeth Selbert (beide SPD).
Das Grundgesetz hatte vier Mütter, aber der Satz, der gleichstellungspolitisch Geschichte geschrieben hat, geht auf Dr. Elisabeth Selbert zurück. Es bedurfte dreier Anläufe, bis der Parlamentarische Rat der Aufnahme dieses Satzes zugestimmt hat.
Was war zwischen der zweiten und dritten Lesung geschehen? „Dr. Elisabeth Selbert war selbstbewusst und unbequem. Ihre Benennung als Mitglied des Parlamentarischen Rates durch die SPD war in der eigenen Partei durchaus nicht unumstritten, so dass sie als Vertreterin der hessischen SPD auf Initiative des Ersten Vorsitzenden der SPD der Nachkriegszeit, Dr. Kurt Schumacher, auf Vorschlag der niedersächsischen SPD in den Parlamentarischen Rat entsandt wurde.“, so Mergehenn.
Nach zwei gescheiterten Anläufen und der fehlenden Solidarität von Dr. Helene Weber und Helene Wessel entschied sich Elisabeth Selbert zur „Flucht nach vorne“ und organisierte im gesamten Land Frauenveranstaltungen, wo sie auf ihr Ansinnen aufmerksam machte. „Das Ergebnis dieser Agitationstour war eine massenweise Zusendung von Briefen und Postkarten von Frauen und Frauenorganisationen aus dem gesamten Land an den Parlamentarischen Rat, die die Aufnahme des Satzes „Frauen und Männer sind gleichberechtigt!“ forderten.
„Das für uns heute Selbstverständliche wurde uns nicht geschenkt – es wurde erkämpft!“, fasste die Vorsitzende der Solinger AsF, Marina Dobbert, zum Schluss der Veranstaltung zusammen und kündigte eine Initiative an, in der Klingenstadt eine Schule oder Straße nach Elisabeth Selbert benennen zu wollen.